Sieben Titel und ein Einzug ins Finale des Europapokals: Der FC Carl Zeiss Jena ist der vermutlich erfolgreichste Verein, den Thüringen je hervorgebracht hat. Trotz der goldenen Ära hat der FCC im gesamtdeutschen Fußball einen eher schweren Stand. Momentan spielt die erste Mannschaft in der Regionalliga Nordost. Polizeilich gesuchte Investoren, Atlético Madrid und Hans Meyer. Was das alles mit dem ostdeutschen Traditionsverein zu tun hat, erfährst du im heutigen Vereinsportrait.
Die Gründerjahre – Eine Entwicklung nimmt Fahrt auf
1903 wird der Klub als ‚FC Carl Zeiß Jena‘ gegründet. Initiatoren sind Mitarbeiter der Firma des Jenaer‘ Industriellen Carl Zeiß. Im Gründungsjahr sind auch nur dessen Mitarbeiter als Mitglieder zugelassen. Die Idee hinter dem Verein: Die Organisation lockerer Spieleabende für den Zeitvertreib nach Feierabend.
Bereits im Juli des folgenden Jahres wird in einem städtischen Versammlungslokal die Zustimmung für erste offene Vereinsmitgliedschaften gegeben. Die Entwicklung des FCC nimmt durch diese Entscheidung rasch an Fahrt auf. 1905 gibt man den Beitritt in den Thüringer- und den Mitteldeutschen-Fußballverband bekannt. Außerdem entwickelt sich in dieser Zeit schon das Muster der traditionellen Vereinsfarben: Blau-Gold-Weiß.
1909 melden die Verantwortlichen dem DFB 73 Mitglieder, unterteilt in drei Männer- und drei Jugendmannschaften. Im selben Jahr gewinnt der Klub überlegen seinen ersten Meistertitel der GAU-Liga Ostthüringen.
Die erste dominante Phase bis zum zweiten Weltkrieg
In der lokalen Thüringer GAU-Liga entwickelt sich Jena schnell zum Maß der Dinge. Bis 1933 kann der Klub 11 weitere Meistertitel sammeln. Die einzig ernsthafte Konkurrenz ist Traditionsklub Rot-Weiß Erfurt. Der sportliche Erfolg macht den Verein auch populärer. Bis in die 20er Jahre klettert die Zahl der Mitglieder auf über 850.
1917 ändert der Verein den Namen und heißt fortan 1.SV Jena. Damit ist der Klub auch auf dem Papier für alle Menschen geöffnet. Neben der lokalen Dominanz kann man jetzt auch internationales Profil gewinnen, da die Mannschaft mehrere Nationalspieler stellt. Trotz dieser erfolgreichen Zeit reicht es nie für den ganz großen Wurf: Die gesamtdeutsche Meisterschaft. Mehrmals kann sich der SV qualifizieren, in den Endrunden allerdings nie nennenswerte Siege erringen. Erst die Wirren des Krieges führen zu einem abrupten Ende der glorreichen Zeit. Im Herbst 1944 wird der Spielbetrieb in Thüringen eingestellt.
Nachkriegsjahre – Neugründung im Sinne der Vereinswurzeln
Wie alle Vereine in der sowjetischen Besatzungszone, beispielsweise den Chemnitzer FC, ereilt den Klub aus Jena das Schicksal der Besatzungsdirektive. Diese verbietet 1945 den gesamten Vereinssport, alle Organisationen werden Aufgelöst. Einzig die gebündelte Anstrengung vieler Sportfunktionäre führt zu einer erlaubten Neugründung 1946.
Die Mitglieder des ehemaligen SV Jena gründen nun, im Juni 1946, die SG Ernst-Abbe Jena. Damit nehmen sie wieder Bezug auf die Wurzeln des Klubs. Ernst Abbe war Geschäftspartner von Carl Zeiss und Miteigentümer der Firma. Durch den dynamischen Wandel des Sportsystems der frühen DDR, durchlebt der Verein in der Folge noch einige Umstrukturierungen und Namensänderungen. 1954 wird in einem Jenaer Wirtshaus dann der Name SC Motor Jena von den Verantwortlichen niedergeschrieben.
Die goldene Ära – Titel und die Reise im Europapokal
Zu dieser Zeit existiert bereits das neue Ligasystem des DDR-Fußballs. Nach einem Auf- und Abstieg feiert die Mannschaft 1956 den Sprung ins Oberhaus, der DDR-Oberliga. 1958 wird Georg Buschner Trainer des Vereins. Buschner, der zuvor selbst über 150 Spiele für den SC Motor absolviert hat, beendete nur sechs Wochen vorher seine aktive Karriere. Mit ihm beginnt die erfolgreichste Zeit des Klubs.
Der studierte Sportwissenschaftler und spätere Trainer der Ostdeutschen Nationalmannschaft kann dem SC Motor Jena sofort die richtigen Impulse geben. Bereits 1960 gewinnt man im Finale gegen Empor Rostock den FDGB-Pokal. Damit qualifiziert sich der SC erstmalig für den Europapokal. Im Cup spielt die Mannschaft furios auf, die Reise durch Europa endet erst im Halbfinale gegen den späteren Titelträger Atlético Madrid. Zwei Jahre darauf wird der Klub zum ersten Mal DDR-Meister.
Carl Zeiss Jena und der Status als Topmannschaft – auch Dank Hans Meyer
1966 wurde schließlich der FC Carl Zeiss Jena im Jenaer Volkshaus neugegründet. Diese Veränderung konnte dem Erfolg keinen Abbruch tun. 1968 und 1970 krönte sich Jena zwei weitere Male zum Meister der DDR. Im Jahr der letzten Meisterschaft wird Trainer Buschner zur Nationalmannschaft berufen. Für eine Saison arbeitete er parallel noch für den FCC. 1971 übernimmt dann sein junger Assistenztrainer die Mannschaft. Name dieser Personalie: Hans Meyer. Die heutige Trainerlegende kommt 1970 nach Jena, arbeitet noch ein Jahr eng mit Buschner zusammen.
In dieser Zeit wird in Jena ein Leistungszentrum für den Fußball gebaut. Der Verein soll zielgerichtet Talente ausbilden und den Anschluss an den internationalen Spitzensport herstellen. Der FC Carl Zeiss Jena ist das Zentrum des Ostdeutschen Fußballs. Der Klub stellt absolute Spitzenfußballer der Nationalmannschaft wie Konrad Weise, Peter Ducke und Lothar Kurbjuweit. Weise und Kurbjuweit sind später Leistungsträger beim Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1976. Von der DDR-Auswahl bei der WM 1974 in Westdeutschland spielten sieben Spieler beim FCC!
Bis 1980 gewinnt die Mannschaft drei weitere Meistertitel, acht Vizemeisterschaften und wird viermal Pokalsieger.
Die historische Reise im UEFA-Pokal und der ewige Beste
Im Jahr 1981 feiert der Klub einen der größten Erfolge seiner Vereinsgeschichte. Neben der unspektakulären Oberliga-Saison dringt die Mannschaft bis ins Finale des Europapokals vor. Unter anderem besiegten die Jenaer den AS Rom, den FC Valencia und Benfica Lissabon. Das Finale im Düsseldorfer Rheinstadion verliert man in einer hochspannenden Partie mit 1:2 gegen den georgischen Spitzenklub Dinamo Tiflis. Neben dem 1.FC Magdeburg war der FCC die einzige DDR-Mannschaft, die jemals das Finale eines internationalen Pokals erreichte.
Nach jener Saison endet die erfolgreichste Zeit des Vereins. In den nächsten Jahren gewinnt man „nur“ noch einige Bronzemedaillen in der Meisterschaft. 1988 gelingt ein letztes Mal die Qualifikation für das Finale des FDGB-Pokals. Hier unterliegt der Klub dem BFC Dynamo mit 0:2. Die letzte Oberligasaison 1990/91 schließt der FC Carl Zeiss Jena auf dem sechsten Tabellenplatz ab. Damit ist der Startplatz in der zweiten Bundesliga gesichert.
Insgesamt bestreitet der Verein während seiner Laufbahn in der DDR über 80 Europacup-Spiele und gewinnt sieben Titel. In der ewigen Tabelle der DDR-Oberliga belegt Jena den ersten Platz.
Der Abstieg nach der Wiedervereinigung
Die ersten beiden Spielzeiten in der zweiten Bundesliga verlaufen noch relativ erfolgreich. Jena kann sich jeweils im oberen Mittelfeld der Tabelle positionieren. Zudem erreicht man zwei Mal das Viertelfinale des DFB-Pokals. Hier ist nach Niederlagen gegen Bayer Leverkusen (1993) und Rot-Weiß Essen (1994) aber Schluss. Das dritte Jahr zweite Liga entwickelt sich dann zum Fiasko. Nach einem völlig verpatzten Saisonstart wird sogar aus der Not im Oktober 1993 Hans Meyer zurückgeholt. Der kann der Mannschaft aber auch nicht das nötige Rezept geben. Somit steht im Sommer 1994 der erste Abstieg in die Drittklassigkeit in der Vereinshistorie fest.
Nach nur einem Jahr in der damals drittklassigen Regionalliga Nordost gelingt der Wiederaufstieg in den Profifußball. Hier kann man sich nicht langfristig etablieren. Bis auf das Viertelfinale im DFB-Pokal 1998 gibt es in dieser Zeit nichts zu feiern. Nach turbulenten Spielzeiten fällt der Klub 2001 bis in die viertklassige Oberliga Nordost.
Russische Investments und treue Anhängerschaft
Die nächsten Jahre machen Hoffnung. Nach diversen Trainerwechseln schafft der FCC den Aufstieg in die Regionalliga, 2006 dann den Sprung zurück in die zweite Liga. Hier spielt die Mannschaft fortan allerdings nur gegen den Abstieg, mehrfach steht der Klassenerhalt auf Messers Schneide.
Der Kampf gegen die sportliche Irrelevanz, häufiger Personalwechsel und fehlende Einnahmequellen fordern auch einen finanziellen Tribut. Um den Weg für Investoren zu ebnen, wird im September 2007 die Ausgliederung der Profiabteilung beschlossen. Die russische Alpha Invest Group Corporation bietet 25 Millionen Euro für 49 Prozent der Anteile. Nur das Veto des DFB verhindert damals die Übernahme. Was heute im Profifußball zur Normalität gehört, wäre 2007 ein Novum gewesen. Der Plan der Investment-Group sah zudem die Installation einiger interessanter Personalien vor. So sollte der russische Oligarch Michail Guzerijew Präsident des Klubs werden. Dieser wurde zeitweise von der russischen Polizei gesucht.
Das Jena in dieser Zeit nicht insolvent geht, ist wohl vor allem der Verdienst seiner Fans. Trotz der sportlichen Miesere verbucht der Verein Jahr für Jahr höhere Mitgliederzahlen. 2007 dokumentiert der Klub zudem den höchsten Zuschauerschnitt seit 1981/82.
Pokalwunder und der Fall in die viertklassige Regionalliga
Ohne die erhoffte Finanzspritze taumelt der Verein weiteren Problemen entgegen. In der Saison 2007/08 kann der Abstieg in die neue 3. Liga nicht mehr verhindert werden. Bereits am 32. Spieltag steht Carl Zeiss Jena als erster Absteiger fest. Gerade durch diesen Umstand ist die Leistung der Mannschaft im DFB-Pokal umso erstaunlicher. Nach Siegen gegen den 1. FC Nürnberg und Bundesligisten Arminia Bielefeld besiegt die Mannschaft völlig überraschend im Viertelfinale den Deutschen Meister des Vorjahres, den VfB Stuttgart. Erst im Halbfinale verliert der Jenaer Traditionsverein vor der Pokalrekordkulisse von 80.700 Zuschauern bei Borussia Dortmund.
Die nächsten vier Jahre verbringt der Verein in der dritten Liga meist im unteren Mittelfeld. Nach einer weiteren, sportlich schwierigen Saison muss der FCC 2013 den erneuten Gang in die Regionalliga antreten. Diese Jahre sind geprägt von ständigen Trainerwechseln. Obwohl man von Anfang an regelmäßig um die Aufstiegsränge spielt, gelingt die Mission Wiederaufstieg erst 2017.
Langfristig zurück in den Profifußball? KICK.TV zeigt es dir!
Obwohl der Klub 2019/20 dann doch nochmal in die Regionalliga muss, ist man in Thüringen optimistisch. Langfristig will sich der Verein wieder im Profifußball etablieren. Dafür wird momentan auch das vereinseigene Ernst-Abbe-Sportfeld umgebaut. Bis 2023 entsteht hier eine bundesligataugliche Spielstätte mit 23.000 Plätzen. In der Regionalliga Saison 2020, die aufgrund der COVID-19-Pandemie abgebrochen wurde, belegt die Mannschaft am Ende den vierten Platz. In der aktuellen Spielzeit steht Jena ebenfalls auf Platz vier, in Schlagdistanz zum Tabellenführer.
Carl Zeiss Jena hat eine goldene Ära hinter sich. Die ehemals beste Mannschaft der DDR konnte sich leider nie im Profifußball nach der Wende etablieren. Trotzdem ist man sich in Thüringens zweitgrößter Stadt sicher: Die guten Jahre kommen wieder! Wir dürfen gespannt sein, ob dem Verein in Zukunft der Sprung zurück ins Profigeschäft gelingt und ob der FCC vielleicht irgendwann wieder auf internationaler Bühne spielt.
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