Ein Berliner Verein plant zur neuen Saison einen mutigen Schritt. Er will weg von der Bezahlkultur und zurück zu Werten wie Teamgeist, Identifikation mit dem Verein und Kameradschaft kommen. Dafür wird auch ein drohender sportlicher Abstieg in Kauf genommen. Wie es zu diesem Umdenken kam, welche Anforderungen der Verein an neue Spieler stellt und ob dieser Schritt auch anderen Klubs Mut machen könnte, lest ihr hier!

80% der aktiven Spieler kommen nicht aus der eigenen Jugend

29.März 2022: Der Berliner Bezirksligist Wartenberger SV (Staffel 1, Rang 8) verkündet auf seiner Website einige Neuheiten, die ab der Folgesaison im Verein umgesetzt werden. Insgesamt verlassen sechs Verantwortliche den Verein, darunter Trainer, Co-Trainer und Teammanager. Bei allen wird sich ausdrücklich für die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre bedankt. Einzig der Torwarttrainer bleibe dem Verein auch in Zukunft erhalten.

Im Folgenden beklagt der WSV die Problematik, dass sich in den vergangen Jahren kaum Spieler aus dem Jugendbereich in die erste oder zweite Herrenmannschaft spielen konnte. Daher bestünden die Teams zu 80% aus Spielern, die aus anderen Vereinen angeworben und verpflichtet worden sind. Da viele Spieler vorher mit dem Verein kaum in Kontakt getreten sind, seien oftmals hauptsächlich finanzielle oder persönliche Interessen Grundlage der Verhandlungen gewesen, so der Verein. Fehlende Identifikation und fehlender Zusammenhalt des Teams seien die Ergebnisse dieser Transferpolitik der letzten fünf Jahre.

Auf dem Sportplatz von Wartenberg soll es um Zusammenhalt und Gemeinschaft gehen und weniger um Finanzen

Die Situation, dass neben dem Trainerstab auch viele Spieler den Verein aus unterschiedlichsten Gründen verlassen werden, nutzt der WSV für einen Umbruch. Im Sommer soll der lange notwendige Neuanfang endlich umgesetzt werden!

„Ist die B-Liga ein sportlicher Misserfolg? Ich glaube nicht!“

Der Wartenberger SV geht damit einen mutigen Schritt und ist sich bewusst, dass „schwere Zeiten auf uns zu kommen werden“, so WSV-Vizepräsident Matthias Geißler gegenüber KICK.TV. Allerdings wolle man zurück zu dem Kern finden, weswegen ein Verein überhaupt existiert. Der Gemeinschaft und der Kameradschaft. Diese sei in der Vergangenheit oft vermisst worden. Dass der Verein unter Umständen sportlich in niedrigere Ligen absteigen könnte, sei dabei eher unwichtig. Dabei betont Geißler auch, dass die „Kreisligen A und B keineswegs sportlichen Misserfolg darstellen“. Natürlich erhoffe man sich die Bezirksliga halten zu können, auch wenn das schwer wird, aber es gehe letzten Endes „um Sport und nicht nur um Leistungssport“. Da gebe es einen Unterschied! Der Vizepräsident resümiert: „Wir sehen uns als Verein, der jedem Spieler ermöglichen möchte Sport zu treiben und sich wohl und aufgenommen zu fühlen!“

Darüber hinaus erhofft sich der WSV durch diese Veränderung in der Vereinspolitik auch für andere deutsche Amateurvereine als Vorbild zu fungieren. Auch die ARD-Dokumentation „Milliardenspiel Amateurfußball“ war Mitauslöser für das Umdenken im Vorstand. Das Thema Geld, Bezahlung und das Problem der fehlenden Identifikation und Vereinstreue wird in Deutschland immer größer. Vereine wie der Wartenberger SV könnten daher den über 24.000 deutschen Amateurklubs Mut machen, sich dieser Bewegung entgegenzusetzen.

In Zukunft weniger Erfolgsgedanke und mehr Teamgeist

Zukünftig wolle sich der Bezirksligist mehr auf die „alten“ Werte des Fußballs beziehen. Es solle weniger um Bezahlung und Siegprämien gehen, sondern mehr um Kameradschaft, Teamgeist und Spaß am Sport. In der Ankündigung auf der Vereinsseite werden diese Worte gezielt fett markiert. Sie sollen Hauptmerkmal des „neuen“ WSV sein! Die Ankündigung geht noch mehr ins Detail. Es geht den Vereinsverantwortlichen um gemeinsame Erlebnisse und gemeinsames Beisammensitzen nach dem Training oder Spiel.

In den vergangen Jahren habe sich die Negativspirale immer weiter entwickelt. Spieler sagten grundlos Spiele ab, verschwanden nach den Einheiten blitzschnell und sprachen Probleme nicht mehr offen und ehrlich an. Insgesamt ging es den Spielern zu sehr um „finanzielle Aufwendungen“, wo doch eigentlich das Miteinander im Verein an erster Stelle stehen sollte.

Steckbrief, um neue Mitglieder zu überzeugen

Diese Anforderungen sollten neue Spieler im Kern erfüllen.

Der Verein gab zudem eine Art Steckbrief heraus, welche Bedingungen neue Spieler mitbringen müssen und welche sie vorfinden würden. Dabei sucht der Berliner Klub nach Spielern, die sich mit dem WSV identifizieren können und wollen, die tolerant sind und zuverlässig. Es gehe nicht zwingend um sportliches Talent, sondern viel mehr um moralische und soziale Kompetenzen. Darüber hinaus bietet der Verein zwar weder Siegprämie noch finanzielle Entlohnung, will den Spielern aber bei Teambuildingmaßnahmen und Verpflegung nach den jeweiligen Einheiten finanzielle Unterstützung zusichern. Auch die ehrenamtlichen Helfer werden weiterhin entschädigt.

Die Prioritäten des Vereins sollen dabei in Zukunft laut Verein diese hier sein:

  • kein Leistungsdruck
  • wieder familiäres Umfeld schaffen
  • Spaß am Sport (insbesondere Teamsport)
  • die Geselligkeit fördern 
  • das Miteinander fördern 
  • unseren Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, ihren eigenen Weg in unseren Verein mit ihren Freunden und Kumpels zusammen zu bestreiten von „Jung“ bis hin zu „Alt“ 
  • werden es jedoch nicht versäumen, Talente zu fördern, sie entsprechend zu beraten und ihnen den richtigen Weg aufzuzeigen

Somit sollen in Zukunft Spaß, das Miteinander und das Umfeld wieder zentralere Rollen einnehmen.

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