Berlin – Es ist Sonntag, 12 Uhr mittags, als wir uns an der U-Bahn-Station Schönhauser Allee treffen. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ist nur einen kurzen Spaziergang entfernt. Noch umgeben von Touristen, Flohmarktbummeln und Sonntagsausflüglern, ändert sich das Bild langsam. Menschen in hellblauen Viktoria Trikots und hauptsächlich weiß gekleidete Augsburger umgeben uns nun. Das leise Rauschen von Stadiongesängen der ersten Auswärtsfans liegt in der Luft. Es das wohl letzte Kapitel einer Berliner Fußballgeschichte. Das letzte Spiel im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, dessen Abriss geplant ist.

Sie kämpfen für den Erhalt

Rund 5.000 Fans strömten an diesem sonnigen Nachmittag ins Stadion. Auf dem Weg zu unserem Block begegnen uns immer wieder Menschen mit einem Stapel bunter Zettel. Sie sammeln Unterschriften für eine Petition, die den Erhalt des Sportparks doch noch sichern soll. Die Begründung: Das Jahn-Stadion sei ein bedeutendes Denkmal der Ostmoderne. Ein Abriss würde dieses historische Erbe sowie 170 Bäume zerstören und wäre angesichts der hohen Kosten und der finanziellen Lage Berlins problematisch. Stattdessen sollte das Stadion saniert werden, um ökologische und wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Nahezu 8000 Unterschriften sind es am Montag Mittag. Die Augsburger Fans, in großer Zahl angereist, zeigten sich solidarisch. In der zweiten Halbzeit entrollten sie ein Banner: „Ob Rosenau oder Jahn Sportpark, Kultstätten des Fußballs erhalten“.

Augsburg entscheidet Spiel spät

Zum Spiel: Victoria geht in der 4. Minute früh  durch Aidan Liu in Führung, und für einen kurzen Moment scheint alles möglich. Ein Wunder im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, vielleicht das letzte überhaupt. Augsburg, die in der ersten Hälfte noch nicht die erwartete Kontrolle über das Spiel erlangen konnten, kamen dennoch durch Elvis Rexhbecaj in der 33. Minute zum Ausgleich. Mit dem Stand von 1 zu 1 ging es dann auch in die Pause. In der 2. Halbzeit spielt Augsburg seine Klasse besser aus. Neuzugang Essende dreht das Spiel in der 53. Minute zum Stand von 2:1. Viktoria bleibt nicht Chancenlos, doch in der 87. Minute erzielt Niklas Dorsch das 3:1. Nachdem Elekwa für Viktoria die große Chance auf den Anschlusstreffer in der 90. Minute vergab, erhöht Phillip Tietz schließlich in der Nachspielzeit noch auf 4:1.

Das Ergebnis? Fast egal. Hier wurde nicht nur um den Einzug in die nächste Pokalrunde gespielt, sondern auch um ein Stück Berliner Fußballseele.  Ob der Protest den Abriss verhindern kann? Ungewiss. Aber eines ist sicher: Dieses Spiel wird in Erinnerung bleiben – als das letzte Hurra eines Stadions, das für viele mehr ist als nur Beton und Rasen. Es ist ein Kapitel Berliner Fußballgeschichte, das keiner so schnell vergessen wird.

Auf Wiedersehen…?

Mit dem Ende des Spiels und dem Verlassen des Stadions verändert sich das Bild wieder. Die vielen Fans, die nach dem Spiel noch in der Umgebung bleiben, gehen nach und nach in der Masse unter. Man isst ein Sandwich auf dem Flohmarkt, schaut mit einem Getränk in der Hand den Karaoke Sänger*innen zu, die ihre ganz eigenen Gänsehaut-Momente kreieren. Menschen sitzen auf dem Rasen und genießen die Sonne. Der Blick wandert nach oben, dort über dem Hügel sieht man die Masten des Flutlichts vom Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark alles überragen.