Die SpVgg Unterhaching ist kein gewöhnlicher Verein. Seine 96-Jährige Geschichte ist gespickt von Auf- und Abstiegen, finanziellen Sorgen und Fußball-Weltmeistern. Als zweiter Verein Deutschlands wagten die „Hachinger“ den Börsengang. Vom Kampf gegen die sportliche Irrelevanz, Millionen-Einnahmen aus Transfers und einer Sensation, die Leverkusen die Meisterschale kostete – Hier erzählen wir dir alles, was es über den Verein zu wissen gibt. Auch, wie sich der heutige Cheftrainer Sandro Wagner schlägt.
Die ersten Jahre zeigen Potenzial – Bis zur Auflösung
Mit der Abspaltung der Fußball-Abteilung zu einem eigenständigen Verein ist 1925 die Zeit des Fußballs in Unterhaching angebrochen. Innerhalb weniger Jahre zeichnet sich ein positiver Trend ab. Die Spielvereinigung feiert nach 13 Monaten ohne Niederlage in Folge den Aufstieg in die A-Klasse, der damals höchsten Spielklasse. Der Aufschwung war jedoch nur von kurzer Dauer. Im Zuge der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird der Verein 1934 Aufgelöst. Der Grund: „Politische Unzuverlässigkeit“.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges beginnt auch in der amerikanischen Besatzungszone langsam wieder das Fußball-Spielen. Damit dürfen auch die Hachinger den Spielbetrieb wieder aufnehmen. Da der Verein kaum finanzielle Mittel hat, erfolgt die Anreise zu Auswärtsspielen in den Nachkriegsjahren oft mit dem Fahrrad. Als Bezahlung gibt es für die Spieler Nahrungsmittel.
‚Fahrstuhlklub‘ bis in den Profifußball
Bis in die 1970er Jahre bewegt sich die Spielvereinigung zwischen der fünftklassigen A- und der sechstklassigen B-Klasse. Kurze Ausflüge in die dann geschaffene Kreisklasse sind nicht von Dauer. Immer wieder steigt der Verein in die B-Klasse ab. 1973 wird dann der Unterhachinger Bürgermeister Engelbert Kupka Präsident des Vereins. Er hegt Ambitionen, den Verein in neue Sphären zu führen. Kupkas Amtszeit endete erst Mitte 2012 – nach 39 Jahren. Damit ist er bis heute der Präsident eines deutschen Fußballvereins mit der längsten Amtszeit. Kupka hat großen Anteil am wachsenden Erfolg der Hachinger in den Jahrzehnten nach seinem Antritt.
Der Aufstieg beginnt so richtig in den Achtzigern. Innerhalb weniger Jahre kann der Klub aus der B-Klasse mehrere Aufstiege feiern. Nachdem 1981 erstmals die Teilnahme an der damals drittklassigen Amateur-Oberliga gelingt, scheitert die Spielvereinigung zwei Jahre später, 1983, nur knapp an der Qualifikation zur 2. Bundesliga.
Der erste Aufstieg in den professionellen Fußball folgt dann 1989 im dritten Anlauf. Die SpVgg Unterhaching bestätigt hiermit ihren kontinuierlichen Aufstieg. Bereits nach einer Saison steigt der Verein allerdings wieder ab. Dennoch ist nun neben dem FC Bayern und 1860 München ein weiterer Klub aus dem Münchener Landkreis ins Profigeschäft vorgedrungen.
Jahre in der Bundesliga: Der große Meister-Schreck und das Maß der Dinge in München
Der Abstieg bremst den positiven Trend in Unterhaching jedoch nicht langfristig. Nach wenigen Jahren in der Zweit- und Drittklassigkeit gelingt 1999 der Aufstieg in die Fußball Bundesliga. Diese Zeit gilt bis heute als die Erfolgreichste des Vereins.
Unterhaching ist im Oberhaus des Deutschen Fußballs nur Außenseiter. Obwohl man sich personell mit einigen guten Bundesligaprofis verstärken kann, hält sich die Mannschaft die komplette Saison in der unteren Tabellenhälfte auf. Am 32. Spieltag wird souverän der Klassenerhalt gefeiert. Daran hat vor allem André Breitenreiter einen großen Anteil. Der ehemalige Schalke-Trainer schießt in der Saison 15 Tore. Bis heute ist er der erfolgreichste Bundesliga-Torschütze der Hachinger.
Eine Sensation kostet Bayer Leverkusen die Meisterschale
Am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 erlangt die Spielvereinigung dann nationale Bekanntheit. Dem zu diesem Zeitpunkt bereits sicher geglaubtem Meister Bayer Leverkusen fehlt ein einziger Punkt zum Titel. Die Leverkusener verloren das Spiel in Unterhaching mit 2:0, unter anderem wegen eines Eigentores des Ex-Chemnitzers Michael Ballack. Durch dieses völlig unerwartete Ergebnis wird der FC Bayern München deutscher Meister. Das Kuriose: Weil auch die offiziellen vom DFB von dem Erfolg Leverkusens ausgehen, wird dem FC Bayern eine Kopie der Meisterschale übergeben. Die originale Trophäe befindet sich wenige Kilometer entfernt im Stadion von Unterhaching.
Die zweite Saison in der höchsten Spielklasse Deutschlands verbringen die Münchener Vorstädter fast ausschließlich im Tabellenkeller. Dennoch ist die Saison für Unterhaching auch historisch. Durch Heimsiege gegen den FC Bayern und 1860 München ist man für kurze Zeit das Maß der Dinge aus dem Süden. Am Ende der Saison steht dennoch der Abstieg in die zweite Bundesliga fest.
Der langsame Niedergang der SpVgg – Trotz Brehme, Hasenhüttl und Augenthaler
Nach dem Abstieg aus der Bundesliga bricht für den Verein erneut eine Zeit der Auf- und Abstiege an. Die Saison 2002/03, in der auch direkt der Abstieg aus Liga zwei feststeht, ist für Fans des Vereins aber auch mit etwas Positivem verbunden. Durch Siege gegen die Zweitligisten Mainz 05 und Union Berlin, sowie dem Erfolg gegen Bundesligist Hansa Rostock, steht Unterhaching im Viertelfinale des DFB-Pokals. Dieses geht gegen Bayer Leverkusen allerdings verloren. Die nächsten Jahre nach dem zweijährigen Abenteuer Bundesliga verbringt man hauptsächlich in der zweiten Bundesliga. Häufige Trainerwechsel führten zu wenig Konstanz. Der sportliche Aufstieg ist vorerst vorbei.
Die Wende soll die Saison 2004/05 einleiten. Vor dieser Saison wird Andreas Brehme als neuer Trainer verpflichtet. Der Weltmeister von 1990 kann der Mannschaft aber keine neuen Impulse geben. Bereits im April des folgenden Jahres wird Brehme wieder entlassen. Im Jahr 2007 steigt die Spielvereinigung dann in die Regionalliga Süd ab.
Wie Ralph Hasenhüttel die Spielvereinigung vor dem Absturz rettete
Die anschließende Saison droht zum Fiasko zu werden. Nach der Hinrunde stehen die Hachinger auf dem vorletzten Tabellenplatz der noch drittklassigen Regionalliga, ein Abstieg in die Viertklassigkeit scheint möglich. Die Rettung bringt der aus der Not zum Cheftrainer beförderte Co-Trainer: Ein gewisser Ralph Hasenhüttl. Durch eine starke Rückrunde qualifiziert sich Unterhaching als Sechster für die neu geschaffene dritte Liga. In den nächsten Jahren kann der heutige Premier League-Coach Hasenhüttl die Mannschaft stabilisieren. Zwar gelingt der Aufstieg in die zweite Liga im Endeffekt nicht. Mehrmals scheitert man aber denkbar knapp.
Zur Saison 2010/11 übernimmt dann Klaus Augenthaler das Amt des Cheftrainers. Nach Brehme ist er der zweite Weltmeister von 1990, der Unterhaching trainiert. Vor Saisonstart waren bereits Gerüchte über Zahlungsprobleme des Vereins laut geworden. Im Oktober 2010 stand die SpVgg Unterhaching kurz vor der Insolvenz. Durch ausbleibende Zahlungen eines dubiosen Geldgebers intensivierten sich die Probleme. Im April 2011 werden die Verträge des Trainerteams um Augenthaler aufgelöst. Der Verein steht zu diesem Zeitpunkt vor den größten Schwierigkeiten seiner Geschichte.
Die SpVgg Unterhaching als Ausbilderverein
In dieser Zeit schlägt die Spielvereinigung einen neuen Weg ein. Mit dem in dieser Zeit geschaffenen Ausbildungszentrum wurde die Philosophie als „Ausbildungsverein“ integriert. Die neue Marschroute: Junge Talente ausbilden und in die Mannschaft einbringen. In den folgenden Jahren etabliert der Verein seinen Ruf als ‚Talentschmiede‘. Junge Spieler um Florian Niederlechner werden erfolgreich ausgebildet und wechseln nach und nach in die oberen Spielklassen. Außerdem stellt die SpVgg mehrere Nachwuchs-Nationalspieler.
Das führt zwar zu einer vorläufigen Stabilisierung der finanziellen Situation. Sportlich läuft es dennoch weiter nicht gut. Unterhaching spielt in den Zehner-Jahren weiter am unteren Tabellenrand. 2015 kommt dann sogar der Abstieg aus der dritten Liga.
Es folgt der totale Umbruch. Einzig Jonas Hummels, der bereits seit einigen Jahren für die Münchener Vorstädter kickt, sowie zwei weitere Spieler, bleiben dem Verein erhalten.
Die Strahlkraft der Talente um Adeyemi und neue Wege als Aktiengesellschaft
Zwei Jahre spielt Unterhaching in der vierten Liga. Mit sehr guten Leistungen steht 2017 frühzeitig der Aufstieg in Liga drei fest. Die nächsten Jahre festigten den Ruf der Hachinger als Talentschmiede. Unter anderem durch den Transfer vom späteren U21-Europameister Karim Adeyemi. Adeyemi, der bereits seit Kindheitstagen für Unterhaching spielt, wird für die Rekordsumme von circa 3,5 Millionen Euro an RB Salzburg verkauft. Durch eine Weitertransferbeteiligung sind Unterhachings finanzielle Sorgen durch diesen Transfer vorerst passé.
2019 wagt die SpVgg Unterhaching den nächsten progressiven Schritt. Seit diesem Jahr werden Aktien des zur GmbH & Co. KGaA umfunktionierten Vereins an der Münchener Börse gehandelt. Damit ist man nach Borussia Dortmund der zweite Verein in Deutschland, der als Börsenunternehmen fungiert. Trotzdessen hält Unterhaching selbst circa 58% der eigenen Aktien. Hierdurch will man den Einfluss von Investoren Bremsen. Momentan ist die Spielvereinigung mit etwa 45 Millionen Euro an der Börse bewertet.
Mehr Talente! Und Sandro Wagner
Trotz finanzieller Rehabilitation stellte sich sportlich kein Aufschwung ein. Nach den Jahren in der dritten Liga steigt Unterhaching in der vergangenen Saison erneut in die Bayrische Regionalliga ab. Besonders bitter: Fast alle Niederlagen entschieden sich durch späte und unglückliche Gegentore.
Etwas gutes hatte die Saison dann doch. Mit dem Transfer von Torwart-Talent Nico Mantl zu RB Salzburg für zwei Millionen Euro gelang ein weiter Coup. Unterhaching setzt jetzt bereits seit mehreren Jahren ausschließlich auf eigene Talente und verzichtet fast vollkommen auf Transfers von außerhalb.
Vor der Regionalligasaison 2021/22 wird dann Ex-Bundesligaspieler Sandro Wagner als neuer Trainer vorgestellt. Momentan bewegt sich Unterhaching im Mittelfeld der Tabelle. Trotz sportlich bescheidener Leistung steht der Verein dank seiner Geldpolitik und hervorragenden Nachwuchsarbeit gut dar. Dennoch ist das Ziel eindeutig: Es soll zurückgehen in den Profifußball. Vielleicht kann man dann auch langfristig wieder die ‚Großen‘ aus München ärgern? Es bleibt spannend in Unterhaching!
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Aktien, Talente, bekannte Trainer. Unterhaching ist anders als viele Amateurvereine. Der Verein will langfristig wieder im Profifußball angreifen. Bis dahin kannst du den Werdegang weiter mit uns verfolgen. Wir beliefern dich mit den Highlights aus Unterhaching, wie beispielsweise diese unglaublich spannende Pokalpartie gegen Türkgücü München aus dem vergangenen Jahr. Das ist KICK.TV, die Plattform für den echten Fußball.