Sportwetten im Fußball: Vom Spiel zur Sucht?

Samstag, 16:25 Uhr. Kurz vor dem Start der 2. Halbzeit der Bundesliga Konferenz läuft natürlich nochmal Werbung. Die Zeiten, in denen die Pause für eine ausführliche Halbzeitanalyse genutzt wurde, sind lange vorbei.  Stattdessen wird das Wohnzimmer von einem vertrauten Ruf durchdrungen:  Eine Gruppe von Fans in der TV-Werbung ruft den Namen eines Wettanbieters, als wäre dieser selbst Teil des Teams. Dieser Werbespot gehört mittlerweile zum festen Bestandteil jedes Fußballspiels im deutschen Fernsehen. Gefühlt jede zweite Werbepause – sei es jetzt zur Halbzeit, vor oder nach dem Spiel – kommt von Sportwettenanbietern. Es ist kaum möglich, sich den Eindrücken der Industrie zu entziehen. 

Und dabei geht es nicht nur um Werbung, sondern um eine gezielte Strategie, den Fußball als eine Art Eintrittstor zur „Wettwelt“ zu präsentieren. Slogans wie „Wetten ist unser Sport“ vermitteln dabei die Botschaft, dass es zum Fan-Dasein dazu gehört, zu wetten. Die Werbung inszeniert Wetten als integralen Bestandteil des Fußballerlebnisses. Es entsteht der Eindruck: Wetten gehört zum Fußball wie die Bierflasche und der Schal. 

Fußball-Legenden wie Lothar Matthäus oder Oliver Kahn als Markenbotschafter, Sponsoringverträge mit Fußballvereinen und sogar der DFL sichern den Anbietern weitere prominente Sichtbarkeit und signalisieren Legitimität. Auch während des Spiels kann man der Werbung nicht entgehen. Nahezu jedes Spiel im Fernsehen zeigt Bandenwerbung für Wettanbieter, manch ein Verein trägt sie außerdem auf dem Trikot. Falls man ein Spiel mal nicht im Fernsehen schauen kann, versorgen einen der Liveticker oder das Tippspiel für jedes Spiel mit den Wettquoten ihres Wettpartners. 

„Mache dein Wissen zu Geld“

“Du schaust jedes Spiel, bist ein echter Experte. Ist es da wirklich noch Glücksspiel, wenn du auf den Ausgang der Spiele wettest?” suggeriert manch ein Spot. „Registriere Dich jetzt und erhalte 100 € Startkapital“. Was hat man also zu verlieren? Dass der Anbieter das so macht, weil die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man letztendlich noch mehr Geld ausgibt, ist klar. Außerdem, dass die meisten Bonuszahlungen auch an Bedingungen geknüpft sind, wie z.B. eine Mindesteinzahlung und Umsatzbedingungen. Der Anbieter macht sich also selbst ein Geschenk und nicht den Neukund*innen.

Die Auswirkungen dieser Strategie sind fatal: 4,6 Millionen Menschen in Deutschland sind laut Glücksspielatlas 20023 spielsüchtig oder zeigen erste Suchtanzeichen. Besonders junge Menschen und solche mit Affinität zum Glücksspiel werden durch die Dauerberieselung und die glamouröse Aufmachung der Werbung in eine gefährliche Nähe dazu gebracht. 

Profis betroffen: Tonali, Toney, Fagioli

Dass die Gefahr durch Sportwetten längst nicht mehr nur bei den Fans liegt, sondern auch Profis ins Straucheln bringt, zeigt sich in den jüngsten Fällen aus der Fußballwelt. Die italienischen Nationalspieler Sandro Tonali und Nicolo Fagioli, sowie der englische Stürmerstar Ivan Toney stehen exemplarisch für Spieler, die der Versuchung des schnellen Wettgewinns nicht widerstehen konnten. Alle drei saßen monatelange Sperren ab. Tonali gab außerdem öffentlich zu, dass er spielsüchtig sei. 

Wetten auf den Amateurfußball: Das Geschäft mit den „Kleinen“

Nicht nur die Großen stehen im Fokus der Wettanbieter. Ein besonderes, oft übersehenes Ziel sind, wie eine Dokumentation der ARD kürzlich zeigte,  die Amateurligen. Die Wettindustrie hat längst entdeckt, dass sich auch mit diesen vermeintlich kleinen Partien großes Geld machen lässt. Wettanbieter bieten Quoten auf Begegnungen an, von denen selbst die eingefleischtesten Fußballfans kaum gehört haben. Und während der ein oder andere Fan vielleicht ein paar Euro auf das Ergebnis des Dorfderbys setzt, kassiert die Industrie ab .

Dabei bleibt nicht nur die Moral auf der Strecke, sondern auch die Integrität des Spiels. Manipulation und Spielmanipulationen sind in diesen unteren Ligen keine Seltenheit mehr. Die Versuchung für Spieler und Trainer das schnelle Geld zu machen scheint groß. Gehälter, wenn es denn überhaupt welche gibt, sind im Vergleich zu den Profis unbedeutend, die Verlockungen aber immens. Unter anderem deshalb sind Wetten auf Amateurspiele im Übrigen auch illegal.

Wettskandal in der 3. Liga

Selbst vor den höheren Amateur- und Semiprofi-Ligen macht das Geschäft mit den Wetten nicht Halt. Seit letzter Woche ist bekannt, dass in der 3. Liga und darunter seit 2022 gegen 17 Spiele ermittelt wird, die im Verdacht stehen, manipuliert worden zu sein . Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Es geht um gezielte Absprachen zwischen Spielern, Schiedsrichtern und Wettanbietern, um die Ergebnisse zu manipulieren. 

Der Fußball gehört(e) den Fans

Das Geschäft mit den Sportwetten hat längst die Grenzen des Spiels überschritten und ist tief in die Welt des Fußballs eingedrungen. Mit prominenten Gesichtern, massiver Werbung und cleveren Lockangeboten wird der Traum vom schnellen Geld verkauft – doch am Ende bleibt meist nur der Anbieter als Gewinner übrig. Während die Risiken verschleiert und Gewinne glorifiziert werden, droht die Leidenschaft für den Fußball in eine gefährliche Abhängigkeit abzurutschen. 

Die Werbung macht es vor, das Spielfeld nach: Wetten gehört jetzt scheinbar zum Fußball dazu.